Die Grenzen des Liveschreibens

Seit wie vielen Jahren mache ich den Job?

2010 hat es angefangen mit diesem voyeuristischen Liveschreibexperiment. ‚Schon wieder ein Jakobsweg‘ entstand nachts beschnarcht und behustet in Pilgerherbergen am Camino Frances. The dark ‚Ich bin dann mal weg‘.
Getippt auf dem Touchscreen eines stummgeschalteten iPhone 3GS.
Nun sind sechs Jahre in die Lande gegangen, live bloggend einmal rund um die Nordsee, ins Memory Of Mankind Archiv nach Hallstatt in Österreich und letzten Sommer ans Nordkap.
Immer eine handvoll Follower und Mitfiebernder dabei, die die täglichen Berichte lasen (und noch immer lesen).
Ich danke Euch von ganzem Herzen.

Als Produzent und Erleber all dessen habe ich das ‚Medium‘ Liveschreiben von Grund auf erforscht, bin mit ihm gewachsen und groß geworden.
Wie sorge ich dafür, immer und überall online zu sein? Wie produziere ich unterwegs Energie fürs Smartphone? All das technische Zeug als Basis, und im Kopf stets die Vision, nach einer solchen Reise nach Hause zu kommen und ein fertiges, lesbares Buch in Blogform geschrieben zu haben. Eine phantastische Operation am offenen Herzen der Literatur.

Nun stehe ich vielleicht an der Grenze des Machbaren, hab alles gegeben, alles versucht und bin um eine Einsicht weiser: Es geht, jein.

Im Dreigestirn Blog/fertiges Buch/Reise bewegte ich mich die letzten sechs Wochen, twitterte und schrieb so heiß gekocht wie möglich.

Die drei Elemente Blog, Buch und Reise bedingen einander und sie bremsen einander auch aus. Alle Schreibzeit unterwegs unterbricht den Reise- und Erlebensfluss. Alle Schludrigkeit und Redundanz, all die saloppen Sprachfetzen, alles Direkte, was einem Blog gut ansteht, das es sozusagen gut abkann (und all die Tipp- und Syntax, na Ihr wisst schon), blockieren den Reiseroman. Der widerum mit seiner ausschweifend erläuternd künstlichen Sprache nicht so ganz ins Blog passen würde.

Unterm Strich steht Einsicht. Einsicht und Zufriedenheit.

Ich habe in den letzten sechs Jahren einen langen Weg zurückgelegt und dabei unheimlich viele Erkenntnisse – ja, wie sagt man – gemacht, erhalten, gekriegt.

Mit Gibrantiago geht ein Zyklus zu Ende, schließt sich ein Kreis.

Die Idee vom fertigen Reisebuch on the fly gibt es noch immer, und vermutlich wird irgendwann jemand sie auch umsetzen können.

Ich werde mich ab nun auf die Bearbeitung vorhandener Texte konzentrieren – äh, also ab nächster Woche, denn hier geht es ja weiter. Und auch auf Twitter.

Warum ich dies schreibe?

In der Nacht hatte ich zwei Artikel geschrieben und ins Blog hochgeladen und auf ‚privat‘ gestellt, die noch Nacharbeit bedürfen. Rohe Schreibe voller Tippfehler und nicht zu Ende gedachter Gedanken. Zu wenig Zeit und Muse, sie zu feilen und schon graut im weiten, unaufhaltsamen Echt der Reise der Morgen und wieder legt sich ein Tag über die Vergangenheit, galoppieren die Ereignisse … Man könnte sagen, diese Skizzen, diese Privatblogs sind der Nährstoff für eine zweite Runde, in der das Blog zum ‚echten‘ Buch überarbeitet wird.

In einer Woche geht der Rückflug. Es könnte klappen bis zum Affenfelsen.

In meiner Pension sind zwei Maschinenmonteure der Firma HMS, die in Alcaudete eine Möbelfabrik mit einer neuen – wie soll ichs nennen – Produktionsstraße bestücken.

Wegen einer halben Tonne Werkzeugs, das sie mitschleppen, sind sie per Auto hier. Ich habe ihnen mein Paket, das ich neulich per Post verschicken wollte mitgegeben. Sie werden es in Deutschland versenden (danke nochmals, Thomas, falls Du diesen Blogartikel lesen solltest).

Langsam löst sich das Europennerdasein auf (nicht immer freiwillig, siehe Regenjacke).

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